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Die Geschichte des Federballes

Übersetzung aus dem Englischen von den Oberpleiser Starübersetzern Fabian ‚Chester' Sobkowski und Martin ‚Chan' Lemke

Willkommen in Potsky's Fabrik in den nördlichen Vororten der Stadt Guangzhou (China), wo Gänseferdern auf wundersame Weise zu dem kleinen Objekt werden, dem ihr auf der ganzen Welt hinterherrennt.
Es ist ein eigenartiges Gefühl, da zu sein, wo alles anfängt. Vielleicht wie bei einem Archäologen, der ein ägyptisches Königsgrab entdeckt. Es gibt hier keine Gänse, aber einen riesigen Korb voller schmutziger Federn. Gänse sind nicht die einzigen Vögel, deren Federn zur Herstellung von Badminton-Bällen gebraucht werden, sondern auch Enten und, kurioserweise, in einigen Teilen der Welt Hühner.
„Gänsefedern werden wegen ihrer längeren Haltbarkeit zu Bällen der Spitzenqualität verarbeitet, aber die Leute, die in Ländern wie Indonesien oder Malaysia auf den Straßen spielen, benutzen oft Badminton-Bälle aus Hühnerfedern", sagt Chester Chan, der Manager von Potsky's Fabrik und ehrenamtlicher Berater der Hong Kong Badminton Association.
Die Fabrik liegt etwa eine halbe Stunde von der Stadtmitte entfernt, in der Nähe des Flughafens, in einem staubigen, aber ruhigen Gebiet. Über 280 Leute arbeiten dort 5 ½ Tage in der Woche, nachdem die chinesische Regierung die maximale Wochenarbeitszeit reduziert hat. Gebaut vor ca. 10 Jahren, produziert die Fabrik heute etwa 300.000 Rollen Bälle pro Jahr - ungefähr 1000 am Tag. Keine Zeit für Spaß! Es ist nicht die einzige Fabrik in Guangzhou, in der Gegend gibt es 3 oder 4 weitere große Fabriken und ca. 20 oder 30 über das ganze Land verteilt.
China ist das bedeutendste Land für die Ballproduktion. Vielleicht weil es dort überall viele Gänse gibt. Oder weil Badminton dort Nationalsport ist. Dem WWF und anderen Umweltorganisationen kann jedoch versichert werden: Gänse werden nicht in erster Linie wegen ihrer Federn getötet, um daraus Badminton-Bälle herzustellen. „Sie sind nur ein Nebenprodukt der Gänse, die hauptsächlich wegen ihres Fleisches als Nahrungsmittel und ihrer Haut verwendet werden. Die berühmte französische ‚Foie Gras' aus Gänseleber muss nicht extra erwähnt werden!
Aber lasst uns zum Geschäftlichen zurückkehren - man muss erwähnen, dass die Industrie Lieferschwierigkeiten bekommen könnte: „Immer mehr junge Leute sind eher entschlossen, zur Schule zu gehen, oder in Computerkurse oder andere Geschäfte, als die Gänsefarm von ihrem Vater zu übernehmen. Dann wird es möglicherweise schwierig, Federn zu finden", erklärt Chan. Wer hätte gedacht, dass die sozialen Veränderungen in China einen Einfluss auf den Preis der Bälle, die man in England oder Peru kauft, haben würden...?
Was wird sonst noch gebraucht? Kork, der direkt aus Portugal importiert wird und eine Menge Hand- und Maschinenarbeit.
Die Federn werden zunächst gesäubert und dann mit Reinigungsmittel gebleicht, um sie weißer und glänzender zu machen. Danach werden sie, je nachdem, ob sie vom rechten oder linken Flügel stammen, auseinander sortiert. „Andernfalls würden die Bälle seltsam fliegen" lacht Chan, während sich die weiblichen Mitarbeiter in einem der vielen Fabrikräume versammeln. Jetzt wird es Zeit, den mittleren Teil der Federn herauszutrennen, er wird später gebraucht. Eine weitere Überprüfung wird durchgeführt, um sicher zu sein, dass keine Fehler an den kleinen Federteilen sind. Die besten werden für die Top-Bälle verwendet und so weiter. Mit einer speziellen Maschine werden die Federn nun eine nach der anderen in die vorgelochten Korkköpfe gesteckt.

Die Bälle sehen nun schon etwa so aus wie jene, mit denen die Jugendlichen spielen, aber ein Schlag, und alles fiele auseinander. Deshalb müssen sie zusammen gehalten werden, zunächst einmal mit einem dünnen Faden, der von Hand befestigt wird. Danach erfolgt das Verkleben von innen und außen, ehe jeder Ball in eine geformte Box gesteckt wird, um die Federn vor Zerstörung zu schützen. Es dauert etwa 24 Stunden, bis die Bälle getrocknet herausgenommen werden können.
Und der beste Teil kommt nun: die Begutachtung der Geschwindigkeit und das Testen der Bälle. Dieses ist der entscheidende Teil der Fabrikarbeit. Wer hat sich noch nie gefragt, was die seltsamen Zahlen auf den Ballrollen bedeuten? Wartet noch ein bisschen auf die Antwort. Und zwar gerade so lange, um etwas über die Art und Weise, wie man die Ballgeschwindigkeit herausfindet, zu lesen.
In einer großen Halle, auf einer höheren Ebene, sitzen zwei Leute und lassen Bälle fallen. Diese werden von einem sich maschinell im Kreis drehenden Squashschläger geschlagen - ein Badmintonschläger würde bei dieser Geschwindigkeit nicht lange halten! Diese automatische Ballmaschine (ein wahr gewordener Traum für 90% aller Trainer) befördert die Bälle ans andere Ende der Halle - die ungefähr so lang ist wie ein Badmintonfeld. Dort stehen zwei andere Arbeiter mit Badmintonschlägern und schlagen alle Bälle zurück, deren Flug nicht gerade war. Das ist der Qualitätstest.
Zur Einteilung nach Geschwindigkeiten ist jeder geschlagene Ball in einer von drei hintereinander aufgestellten Kisten gelandet. Wie weit der Ball geflogen ist, entscheidet darüber, in welche Geschwindigkeitsstufe er eingeteilt wird.
„Bälle, die in der ersten Kiste gelandet sind, werden mit 76 bezeichnet, die in der zweiten mit 77 und die in der dritten mit 78. Die Nummern haben keine besondere Bedeutung, aber so wissen wir, wie schnell die Bälle sind", sagt Chester Chan. Und jeder wird in eine speziellen Rolle gesteckt, die möglicherweise in deiner Badmintontasche landen wird.
„Was die meisten Spieler nicht wissen ist, wie sich die Ballgeschwindigkeit, abhängig von drei verschiedenen Dingen, verändert: der Temperatur, der Höhenlage und, in einem gewissen Ausmaß, der Luftfeuchtigkeit, wir müssen also die Beurteilung der Bälle an die Tages- oder Jahreszeit hier in Guangzhou anpassen. Das macht es sehr schwierig", sagt Chan.
Nun sind alle Bälle in Rollen gefüllt, die in große Kisten gepackt werden, fertig um sie in die ganze Welt zu verschiffen. Sie könnten dir sehr bald über den Weg fliegen!
 
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